Lobbying gehört zur Politik. Es sollte aber nach klaren und objektiven Regeln erfolgen und nicht nach Gutdünken einzelner Parlamentarier. Vor wenigen Wochen entschied die staatspolitische Kommission des Ständerats, die Transparenz bei den Lobbyisten im Bundeshaus zu erhöhen und deren physische Präsenz zu limitieren. Eine längst überfällige Notwendigkeit! Die vorgesehene Umsetzung ist jedoch völlig untauglich. Der Vorentwurf sieht vor, dass zukünftig jedes Ratsmitglied nur noch einen, statt bisher zwei Zutrittsausweise an externe Interessenvertreter vergeben darf. Ein Lösungsansatz, welcher nicht den Kern der Problemstellung angeht, sondern das Problem durch Kosmetik überdeckt.
Indem man die persönliche Vergabe von Zutrittsrechten für Interessenvertreter im Bundeshaus auf eine Person je Parlamentarier beschränkt, verschärft sich lediglich das Problem, dass nur diejenigen Lobbyisten Zugang erhalten, welche die besten Beziehungen zu den National- und Ständeräten pflegen – und diesen sehr oft Gefälligkeiten zukommen lassen. Einzelnen Parlamentariern werden dafür die elektronischen oder physischen Postfächer erledigt, der Wahlkampf organisiert oder Reden geschrieben. Mitunter werden auch die offiziellen Zutrittsbatches unter der Hand gegen eine Geldzahlung vergeben. Zustände wie im alten Rom; in anderen Ländern würde man von Korruption sprechen – sicherlich einer rechtstaatlichen Demokratie wie der Schweiz unwürdig.
Die Bemühungen im Bundeshaus, den demokratisch legitimierten Zugang von Interessen-vertretern transparent zu organisieren, müssen durch objektive Regeln erfolgen. Die Frage ist „wie“. Angesichts der räumlichen Limitierung durch die Wandelhalle kommen schnell Stimmen auf, welche eine personelle Kontingentierung im Bundeshaus fordern. Wer jedoch die Vergabe der Plätze an Parlamentarier delegiert, hält am zweifelhaften Gefälligkeitskreislauf fest und diskriminiert jene Zutrittsbewerber, welche dabei nicht mitmachen wollen oder können.
Wie ist der Zutritt in anderen Ländern geregelt? In Deutschland gibt es zwei Wege, die dem Lobbyisten den Zugang zum Bundestag gewähren. Einerseits können Verbände, welche sich auf einer öffentlichen Lobbyisten-Liste des Parlaments registrieren lassen, einen Zutritts-ausweis anfordern. Alternativ besteht für Lobbyisten aber auch die Möglichkeit, sich über die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen einen Zugang zu verschaffen. Eine vergleichbare Ausgangslage, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied. Die Entscheidungsmacht über den Zutritt zum Bundestag liegt nicht alleine bei den Parlamentariern. In den USA ist das System noch transparenter. Es existiert eine öffentliche Liste aller Interessenvertreter, die angeben müssen, für wen und für welches Honorar sie lobbyieren.
Auch für die Schweiz wäre eine solche öffentliche Liste zielführend, um eine transparente Übersicht über die wirkungsmächtigen Einflussfaktoren und Interessengruppen zu geben. So sieht es auch der Vorentwurf der staatspolitischen Kommission als „Best Practice“ vor. Die Teilnahmebedingungen müssen strengen Auflagen unterliegen. So müssen sich die Lobbyisten einem klaren Reglement unterziehen, welches von ihnen unter anderem eine Offenlegung der Auftragsmotivation bzw. des Auftragsgebers vorschreibt. Wer sich so ausweist, sollte meiner Meinung nach künftig das Recht erhalten, von den Parlamentsdiensten eine entsprechende Zutrittsberechtigung zu erhalten. Um eine Überfüllung der Wandelhalle zu vermeiden, könnten die Parlamentsdienste festlegen, dass ein Lobbyist das Parlament nur eine bestimmte Anzahl an Tagen, z. B. 20 mal jährlich, besuchen darf. Mitarbeiter der Generalsekretariate der Parteien und andere Spezialisten könnten von dieser Beschränkung ausgenommen werden. In ähnlicher Weise beschränkt Frankreich die Anzahl der im Parlamentsgebäude anwesenden Interessenvertreter, indem die Lobbyisten keine Dauerausweise erhalten, sondern nur tagesweise Zutritt bekommen. Deutschland wiederum erreicht eine zahlenmässige Beschränkung der Lobbyisten durch eine Limitierung der vertretenden Mitglieder je Verband oder Lobbyfirma. Lobbyisten, die gegen diese Regeln verstossen, z. B. ihre Mandate nicht ordnungsgemäss publizieren, müssen verwarnt und im Wiederholungsfall gesperrt werden.
Lobbying gehört zur Demokratie. Aber bitte: nach transparenten und objektiven Regeln, nicht nach Gutdünken und Willkür. Alles andere ist der Schweizer demokratischen Tradition nicht würdig.
*Dieser Beitrag erschien als Gastkommentar in der Ausgabe vom 02. März in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und auf nzz.ch.